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Pfarrer Johannes Bernhard Schulz (1884 - 1942)

Portrait von Pfarrer Schulz

Ein mutiger Zeuge für Christus

Johannes Bernhard Schulz (1884-1942) ist einer der sieben Priester der Diözese Trier, die aufgrund ihres Bekenntnisses und Glaubens Opfer des Nationalsozialismus wurden.
Pfarrer Schulz war von 1919 bis 1935 Pfarrer in St. Josef in Elm-Derlen. Schon in dieser Zeit gerät er in Konflikt mit dem Nationalsozialismus. Nach der Rückgliederung der Saar ins Deutsche Reich 1935 wird es für Pfarrer Schulz immer schwieriger, und er wird nach Nickenich in der Nähe des Laacher Sees versetzt. Auch hier steht er unter Beobachtung.
Am Nachmittag des 27. Mai 1940 sitzen Pfarrer Johannes Schulz und Josef Zilliken, der Pfarrer des Nachbarortes Wassenach, auf der Terrasse des Ausflugslokals Waldfrieden am Laacher See. Unerwartet erscheint der damalige Generalfeldmarschall Göring in Begleitung einiger Offiziere. Während die übrigen Gästen Göring und seine Begleiter mit „Heil Hitler'“ begrüßen, ignorieren die beiden Pfarrer die Ankommenden.
Am Abend desselben Tages werden Pfarrer Schulz und Pfarrer Zilliken von der Gestapo verhaftet und zunächst in das Konzentrationslager Buchenwald dann nach Sachsenhausen-Oranienburg und schließlich nach Dachau gebracht. Hier stirbt Pfarrer Johannes Schulz am 19. August 1942.

Pfarrer Johannes Schulz zählt zu den bedeutenden Gestalten der Dachauer Priester. So beschreibt ihn P. Sales Hess in seinem 1946 veröffentlichten Buch „Dachau eine Welt ohne Gott“ folgendermaßen:

„Ein großer Ernst breitete sich vom Juni an über Block 26. Mehr und mehr erkannten wir die Absichten der Lagerleitung und des Reichssicherheitshauptamtes Berlin: das Lager und insbesondere die Geistlichen sollten dem Hungertod überantwortet werden. Was war für uns Priester natürlicher, als daß wir in tiefster Not noch engeren Anschluß an den Heiland suchten und Kapelle und Tabernakel noch lieber gewannen. Aber schon im Mai tauchten neue Gerüchte auf: die Lagerleitung wolle auch den Gottesdienst streichen. Pfarrer Johann Schulz von der Trierer Diözese verfaßte ein himmelstürmendes Gebet, das wir täglich nach der hl. Messe verrichteten. Im Mai war die Lage äußerst kritisch. Zum Glück drangen die Feinde unseres Gottesdienstes in Berlin nicht durch. Wir behielten unsere Kapelle, durften weiterhin unseren Gottesdienst feiern. Freilich wurde uns nur eine kurze Zeitspanne dafür zugemessen. Nur zwanzig Minuten standen uns zur Verfügung. Eine Bitte an die Lagerleitung, daß wir uns eine halbe Stunde früher vom Schlafe erheben dürften, wurde abgewiesen. Es blieb nichts anderes übrig, als die hl. Messe zu kürzen. Wir beschnitten die Vormesse soweit als nötig und möglich. Wir ersparten uns das Austeilen der hl. Kommunion. Waren wir doch alle Priester. Wenn auch unsere Hände von der harten Arbeit Risse und Schrunden zeigten, sie waren doch geweiht. So nahm jeder aus einem an der Türe aufgestellten Teller eine unkonsekrierte Hostie, hielt sie während der hl. Messe vor sich hin. Bei der hl. Wandlung konsekrierte der Priester vom Altar aus alle Hostien mit, die auf den Händen der Priester lagen, und bei der hl. Kommunion war es wie im Abendmahlsaale: jeder der Kommunizierenden reichte sich selbst das Brot des Lebens. Es war gewiß ein ergreifender Anblick. Wir empfingen die hl. Kommunion täglich als Wegzehrung. Wer konnte wissen, ob er den Abend noch erlebte? An den Sonntagen durften wir den Gottesdienst noch wie bisher feiern. Viele freilich waren schon so entkräftet, daß sie nicht mehr stehen oder knien konnten. Sie saßen auf dem Boden, lehnten sich an die Wand und beteten um Kraft und Rettung in schwerer Not. Von den Predigten waren uns die am liebsten, die ein paar Worte des Trostes für uns wußten. In den Herzen aller wird das Andenken an Pfarrer Johann Schulz bleiben, der es so gut verstand, uns zu trösten. Dankbar schüttelten wir ihm nach dem Gottesdienst die Hand. Er starb ebenfalls des Hungertodes…“ (S.150f.).

Da das Begräbnis in der Pfarrei Nickenich verweigert wird, erfolgt die Beisetzung seiner Urne anonym im Grab eines jungverstorbenen Neffen auf dem Waldfriedhof in Saarbrücken-Burbach. Am 17. Dezember 2003 wird die Urne von Pfarrer Johannes Schulz in Anwesenheit von Pfarrer Hans-Georg Müller gehoben und nach Elm überführt. Nach einem bewegenden Pontifikalamt am 7. März 2004 wird die Urne von Pfarrer Johannes Schulz durch Bischof Dr. Reinhard Marx im Priestergrab vor der Kirche St. Josef in Elm-Derlen beigesetzt.

Biographie

Seminarist Johannes Bernhard Schulz (2. Reihe v. u., 2. von Links)

Geburt

Johannes Bernhard Schulz wurde am 3. April 1884 als Sohn des Stationsvorstehers Conrad Schulz und der Louise Schulz geb. Schwartz in Obervölklingen (Luisenthal) geboren.

Taufe

Schulz wurde am 20. April 1884 (Weißer Sonntag) in Völklingen / St. Eligius getauft. Er ist in Saarbrücken-Malstatt aufgewachsen.

Firmung

Als Schüler der Weißen Väter wurde er am 23. April 1900 (Weißer Montag) im Hohen Dom zu Trier durch Bischof Felix Korum gefirmt.

1898 - 1901

Schüler im Missionshaus der Weißen Väter in Trier

1901 - 1903

Schüler am Friedrich Wilhelm Gymnasium in Trier

Johannes Bernhard Schulz als Feldgeistlicher um 1918

1903 - 1907

Schüler am Ludwigsgymnasium in Saarbrücken

23. März 1907

Reifeprüfung in Saarbrücken

1907 - 1911

Studium im Priesterseminar in Trier

12. August 1911

Priesterweihe in Trier durch Bischof Dr. Felix Korum

13. August 1911

Primiz in Saarbrücken - Malstatt / St. Josef

1911 - 1913

Kaplan in Lebach / Hl. Dreifaltigkeit

1913 - 1914

Kaplan in Wadgassen / Maria Heimsuchung

9. Juli 1914

1. Curaexamen

Thema der wissenschaftlichen Arbeit:
„Dispensgesuche bei öffentlichen und geheimen Ehehindernissen“

1914 - 1918

Felddivisionspfarrer bei der 255 Inf./Div., ausgezeichnet mit dem EK II

1918 - 1919

Kaplan in Bous / St. Peter

Verabschiedung in Derlen 1935

14. Juli 1919

Ernennung zum Pfarrer von Derlen / St. Josef

20. Juli 1919

Einführung in Derlen

1919 - 1935

Pfarrer von Derlen / St. Josef

13. März 1935

Ernennung zum Pfarrer von Nickenich / St. Arnulf

24. Juni 1935

Einführung in Nickenich

1935 - 1942

Pfarrer von Nickenich / St. Arnulf

18. Juli 1939

Ernennung zum Definitor des Dekanates Andernach

27. Mai 1940

Begegnung mit Generalfeldarschall Göring im Gasthaus „Waldfrieden“ bei Maria Laach; am Abend Verhaftung in Nickenich

Juni - Juli 1940

Haft im Konzentrationslager Buchenwald

August - Dezember 1940

Haft im Konzentrationslager Sachsenhausen

1940 - 1942

Haft im Konzentrationslager Dachau

19. August 1942

Tod im Konzentrationslager Dachau

Pfarrer Johannes Schulz in Nickenich

23. August 1942

Einäscherung im Krematorium in Dachau

28. August 1942

Requiem in Nickenich

13. April 1943

Beisetzung im Familiengrab auf dem Waldfriedhof in Saarbrücken-Burbach

19. August 2002

Gedenkgottesdienst in Elm / Derlen und Nickenich anlässlich des 60. Todestages.

2. November 2003

Einweihung des „Pfarrer-Johannes-Schulz-Platzes“ und der Gedenkstätte in Elm / Derlen

3. November 2003

Einverständnis des Bischofs zur Umbettung der sterblichen Überreste von Pfarrer Johannes Schulz ins Priestergrab in Elm / Derlen

17. Dezember 2003

Hebung und Umbettung der Urne von Pfarrer Johannes Schulz

7. März 2004

Beisetzung der Urne durch Bischof Dr. Reinhard Marx

Gebete von Pfarrer Johannes Schulz verfasst im KZ Dachau

Mutter Gottes Konzentrationslager Dachau

Unsere Liebe Frau von Dachau

Obwohl wir selbst des Trostes bedürfen, bitten wir dich doch: geh auf heilige Wallerschaft und tröste alle, die deine Hilfe nötig haben! Es ist ja Krieg, und Millionen leiden Tag und Nacht Gefahren für Leib und Seele. Zeige, dass du Mutter bist, und stärke sie. Millionen haben Haus und Heim verloren und irren obdachlos unter fremden Menschen. Bei dem Leid, das du selbst in Ägyptens Verbannung getragen hast, sei ihnen Zuflucht und Kraft. Und bei jenem großen Schmerz, den du unter dem Kreuz erduldet, tröste die Kranken und Verwundeten, gib Kraft den Gefangenen und stehe in der Todesstunde allen bei, die ihr Blut und Leben opfern müssen. Viele Kirchen sind geschlossen, viele Gotteshäuser zerstört, viele Gemeinden ohne Seelsorger. Überall stürmen die Pforten der Hölle an und suchen zu überwältigen. Zeige, da du Mutter bist, und erhalte deinem göttlichen Sohn seine Hirten und seine Herde.

Erhalte ihm auch die Priester, die an den Fronten stehen oder in Lazaretten Samariterdienste leisten. Stärke die Priesteramtskandidaten, die sich nach dem Primizkranz sehnen. Erwecke Priesterberufe, trotz aller Hindernisse der Zeit, und sorge dafür, da die Flammen des Glaubens und der Tugend nicht erlöschen, da nicht zerbreche die Treue zur heiligen Kirche. Segne und stärke unsere Bischöfe in ihrem schweren Amt. Schütze und stütze vor allem unseren Heiligen Vater, dem das Herz so schwer sein muß, weil sein Arm gelähmt ist, die Not zu beheben, die Leiden zu lindern und den Frieden herbeizuführen.

Und kommst du. Unsere Liebe Frau von Dachau, an die Stätten, wo unsere Eltern und Angehörigen, unsere Pfarrkinder und Mitarbeiter schon so lange um unsere Heimkehr beten, dann sage ihnen, da du über uns wachst im Leben und im Sterben.

O, Unsere Liebe Frau von Dachau, zeige, dass du Mutter bist, wo die Not am größten ist. Amen.

Nahaufnahme des Heiligen Josefs. In der Linken Hand hält er eine Lilie und in der rechten Hand hält er das Jesuskind. Das Jesuskind trägt in der rechten Hand die Weltkugel.

Gebet zum Hl. Josef

Glorreicher heiliger Josef, Pflegevater unseres Herrn Jesus Christus und wahrer Gemahl der Jungfrau Maria. Mit Freuden bereiten wir uns auf Dein hohes Fest vor, um es würdig zu feiern zum Lobe Gottes und zu Deiner Ehre. Gott hat Dich so groß gemacht, weil Du gerecht befunden wurdest. Wir kommen zu Dir in einem besonderen Anliegen:

Wie Du das Jesuskind oft auf Deine Vaterarme genommen hast, so möchten auch wir den eucharistischen Heiland recht bald wieder in unseren Händen tragen und den Gläubigen reichen. Wie Du dem Hause von Nazareth vorstandest, so möchten wir wieder den Tabernakel des Heilandes betreuen. Wie Du die hl. Familie als Oberhaupt geleitet, so möchten wir wieder als Hirten unsere Gemeinden führen.

Das erbitten wir in grenzenlosem Vertrauen auf das alte Wort:

Josef non impetrat, sed imperat.

Und wie Deine hl. Braut durch ihr Gebet die Stunde des ersten Wunders beschleunigt, so beschleunige Du, wir bitten Dich, aus tiefstem Herzen den Tag, an dem wir wieder Priester sind, nicht nur durch Gebet und Opfer, sondern auch durch die Verkündigung des Wortes Gottes, besonders der Erlöserliebe des heiligsten Herzens Jesu und der Mutterliebe Mariä und durch Ausspendung der hl. Geheimnisse.

O glorreicher Patriarch, heiliger Josef, lass uns nicht vergeblich flehen.

Gleich Dir möge für uns beten Deine heilige Braut, unsere liebe Mutter Maria.

Amen!

Erinnerungen von Paul Rihm an Pfarrer Johannes Schulz

Der aus Elm stammende Lehrer und Maler Paul Rihm (1922 – 2014) erinnert sich 2004 als Zeitzeuge an Pfarrer Johannes Schulz. Er schreibt:

„Die Saarabstimmung stand bevor, und die Parole hieß: Heim ins Reich! Aber wie sah es damals im lieben, deutschen Vaterland aus? Hitler war 1933 an die Macht gekommen, und er schaffte es in kürzester Zeit, das Reich diktatorisch zu beherrschen. Jede Opposition wurde erbarmungslos niedergeschlagen und Kommunisten und Sozialisten eingesperrt. Als dem Führer die SA zu mächtig wurde, ließ er seinen Freund, den Stabschef der SA Ernst Röhm und eine Anzahl hoher SA-Führer kurzerhand an die Wand stellen und erschießen. In Hitlers Deutschland waren Recht und Gesetz außer Kraft. Das Wort und der Befehl des Führers waren Gesetz. Die Zustände im Reich und die Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus machten dem Pastor Schulz Sorgen und bereiteten ihm Gewissens- und Entscheidungsprobleme. Er war, und das erkannte ein jeder in der Pfarrei, ein entschiedener Gegner Hitlers. Von der Kanzel und in Reden vor den kirchlichen Vereinen mahnte und warnte er und sagte recht oft: „Mit Hitler kommt der Krieg!“ Hitler aber hatte schon vor der Abstimmung recht viele Anhänger in unserem stillen Tal. Es gab bereits Parteigenossen und SA-Männer. Die Parteigenossen bildeten eine Zelle, die zur Ortsgruppe Griesborn gehörte. Nach 1935 wurde die Zelle so stark, dass sie zu einer Ortsgruppe mit einem eigenen Ortsgruppenleiter erhoben wurde. Die Hitleranhänger waren plausibler weise Gegner und Ablehner des Pastors. Seine Position war schwierig geworden. Für die Fronleichnamsprozession 1934 fand er nicht mehr genügend Männer, die gewillt waren, den Himmel zu tragen. Vor 1933 hatten sich viele dazu gedrängt. Der Pastor wusste, wie mein Vater eingestellt war. Er kam in unser Haus und bat ihn, in der Fronleichnamsprozession den Himmel zu tragen. Mein Vater, der sehr zurückhaltend war und öffentliche Auftritte stets gescheut und vermieden hatte, sagte zu unser aller Erstaunen spontan zu. Wenn Not am Mann war, verweigerte er sich nicht. Ich ging in dieser Prozession als Messdiener mit und war mächtig stolz auf meinen Vater, den Himmelsträger. Nach der Prozession erfuhr man, dass einer von den SA-Männern, ein Hobbyfotograf, in einem Keller gesessen und aus seinem Versteck Parteigenossen und Mitglieder anderer nationalsozialistischer Organisationen, die mit der Prozession gegangen waren, fotografiert hatte. Die Bespitzelung und Überwachung fing schon an, obwohl wir noch nicht im Reich waren. Es war Vorsicht geboten. Die Fronleichnamsprozession von 1934, ein halbes Jahr vor der Saarabstimmung, war bei den gegebenen Zeitumständen eine Demonstration für den römisch-katholischen Glauben. Mit tiefer Frömmigkeit trug Pfarrer Johannes Schulz die Monstranz durchs Dorf. Die Anschwärzung, Pastor Schulz „sei sehr gegen das Deutschtum eingestellt“, war eine unverschämte, böswillige und üble Verleumdung. Als junger Geistlicher war Johannes Schulz im 1. Weltkrieg Divisionspfarrer, hatte Offiziersrang und war wegen Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz dekoriert worden. Er war nicht gegen das Deutschtum. Er lehnte den „böhmischen Gefreiten“ ab, den er als eine Gefahr für das Vaterland und die römisch-katholische Kirche erkannte.

Rückgliederungsfeier nach der Saarabstimmung 1935 am Sebastiansdenkmal in Derlen. Pfarrer Johannes Schulz kommt im vollen Ornat zur Feier, um beim Absingen des „Horst-Wessel-Liedes“ nicht die Hand zum Hitlergruß erheben zu müssen.
St. Josef Elm-Derlen um 1935
St. Arnulf Nickenich um 1935
Pfarrer Johannes Schulz (1. Reihe, 2. v. R.)

Ein damaliger Tenor hieß: „Adolf Hitler ist Deutschland, und Deutschland ist Adolf Hitler!“ Wer also gegen Hitler eingestellt war, war ein Feind Deutschlands. Der Pastor nahm Stellung gegen das „Neue Heidentum“. Er verehrte den hl. Sebastian und stellte ihn uns im Unterricht als ein Beispiel der Glaubensstandhaftigkeit und als einen Mann mit Bekennermut vor. Sebastian, römischer Offizier, hatte seinen Christenglauben vor dem Kaiser nicht verleugnet, sondern ihn mutig bekannt. Er widerstand dem Ansinnen, dem Christentum abzuschwören und den heidnischen Göttern zu opfern. Sebastian blieb standhaft und nahm den Märtyrertod an.

Pfarrer Schulz war ein guter Pädagoge. Im Katechismusunterricht, in der Beicht- und Kommunionvorbereitung und in der sonntäglichen Christenlehre war er uns ein gestrenger aber guter Lehrer. Dass wir den Katechismus von vorne bis hinten, Kapitel für Kapitel, auswendig lernen mussten, behagte manch einem nicht. Damals wurde noch in allen Schulfächern auswendig gelernt. Nach meiner Erstkommunion wurde ich Messdiener. Mit Pastor Schulz einen Versehgang zu machen, war etwas Besonderes. Ich hatte in der Morgenmesse gedient, danach sagte er zu mir: „Lass dein Röckel an und geh mit auf Versehgang“. Er barg das Allerheiligste an seiner Brust, und ich nahm die Laterne mit dem Glöcklein. Wir gingen hinauf auf den Morgenstern in ein Haus auf der linken Seite. Da lag eine Frau krank im Bett. Der Pastor spendete ihr die Letzte Ölung. Ich kniete nieder auf den Boden und betete das Confiteor. Es war ergreifend zu sehen, mit welch gütiger Hinwendung der Pastor mit der Frau betete und ihr mit tiefer Frömmigkeit den Leib Christi reichte. Dieser Versehgang war mein größtes Erlebnis als Messdiener.

Ein von Otto Wernet und der Katholischen Jugend auf dem Hermesberg aufgerichtetes, hohes, weithin sichtbares Christuszeichen, ein PX, sandte die Botschaft aus: „Wir gehören zu Christus!“ Die Nationalsozialisten hatten als Hoheitszeichen das Hakenkreuz. Das Christussymbol auf dem Hermesberg war ihnen ein Dorn im Auge. Es stand nicht lange, als es von einem Hitlerjugendführer und seinen Mannen in einer Nacht- und Nebelaktion niedergerissen wurde. Sie schleiften es hinunter ins Tal, zusägten es und warfen es in den Bach. Die Katholische Jugend sollte verschwinden. Im Reich gab es nur eine Staatsjugend, die Hitlerjugend. Die Aktion hatte sich auch gegen den Pastor gerichtet, der sich sehr um die religiöse Bildung der Jugend mühte.

Pfarrer Johannes Schulz war ein Mann des Gebetes. Wenn wir Messdiener morgens früh in die Sakristei kamen, kniete er schon lang auf seinem Betstuhl und verrichtete, ganz in sich versunken, seine Morgengebete. Dann gingen wir sonst so munteren Buben auf den Zehnspitzen und stritten uns in der Ankleidekammer nicht um die schönsten Röckel, sondern waren mucksmäuschenstill.

Pfarrer Johannes Schulz

Schaute ich am Nachmittag aus meiner Stube hinauf zu Kirche und Pfarrhaus, sah ich wie der Pastor seine Runden um die Kirche drehte oder im Garten auf- und abging und sein Brevier betete. Wenn man ihn sah, betete er. Er betete immer.

Im Unterricht lehrte er uns das Beten ganz intensiv. Das war ihm ein sehr wichtiges Anliegen. Er hielt uns an, eigene Gebete zu formulieren, und mit Gott zu sprechen, wie zu Hause mit dem Vater. Beten sei: „Sprechen mit Gott“. Wir sollten uns angewöhnen, mit Gott zu sprechen, wo wir gehen und stehen. Unser Vater im Himmel freue sich über das kleinste Stoßgebet: „Jesus Dir leb‘ ich, Jesus Dir sterb‘ ich!“ vor den Wegkreuzen und vor dem hl. Sebastian auf dem Denkmal zogen wir die Mützen und verrichteten im Vorbeigehen, still im Inneren, unsere kleinen, selbstgemachten Gebete. Dazu hatte er uns angehalten.

Alfred Rosenberg, der nationalsozialistische Parteiideologe, redete einer nordischen, artgemäßen „Weltanschauung“ das Wort, einer neuen Religion für den germanisch-deutschen Herrenmenschen. Das Christentum stammte für die nationalsozialistischen Rassefanatiker von dem Juden Jesus und wurde als art- und rassefremd gebrandmarkt. Es sei nicht mit deutschen Wesen zu vereinbaren. Dass an Stelle von Gott und Christus jetzt Blut, Rasse und „der Führer“ treten sollten, dagegen erhob der Pastor seine Stimme. Er nannte dies „Neu-Heidentum“ und mahnte und warnte immer wieder und sehr eindringlich: „Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen!“

In den Missionen in Afrika und in Asien wurden Priester und Ordensfrauen, weil sie den Glauben an Christus bekannten und ausbreiteten, brutal gepeinigt und getötet. Sie stellte er uns als Vorbilder hin und ermahnte uns, im Glauben fest und standhaft zu werden und sagte: „Ein Christ muss bereit sein, für seinen Glauben zu sterben“.

Am 24. Juni 1935 hatte Pastor Schulz seine Pfarrei St. Josef in Derlen schweren Herzens verlassen müssen, um in Nickenich in der Eifel eine neue Pfarrstelle zu übernehmen. Mein treuer Freund Wunibald Maas und ich besuchten dasselbe Gymnasium und nahmen uns vor, in den Sommerferien 1937 nach Nickenich zu fahren, um den Pastor Schulz wiederzusehen. Wir setzten uns auf unsere Fahrräder und radelten in Etappen die Nahe hinunter, den Rhein abwärts bis Weißenturm und vor Andernach links schwenkt marsch in die Eifel. In Nickenich besuchten wir den Pastor im Pfarrhaus. Der freute sich über unseren Besuch und insbesondere darüber, dass seine ehemaligen Messdiener ihm treu geblieben waren und ihm die Ehre erwiesen. Die Biwi Rupp, seine Haushälterin, verwöhnte uns Buben. Wir wohnten bei Bekannten von Wunibald. Am anderen Tag fuhren wir nach Maria Laach. Der Pastor gab mir einen Empfehlungsbrief mit an den Pater in der Bibliothek, der sein Freund war. „Der“, sagte er mir, „ist ein Kenner der Literatur, der bildenden Kunst und der Geschichte. Er wird euch in der Abtei vieles zeigen, was der normale Besucher nicht zu sehen bekommt.“ So geschah es, und am Ende rief der Bibliothekar einen Gesellen aus der Schreinerei, der ruderte uns hinaus auf den See, von wo wir einen allerschönsten Blick auf die Abtei hatten. Anderentags verabschiedeten wir uns im Pfarrhaus. Wir wollten hinunter zur Mosel.  Der Pastor hatte sich über unseren Besuch sehr gefreut. Es blieb mir jedoch nicht verborgen, dass er bedrückt, ja sogar traurig war. Er hatte Sorgen wegen der unglücklichen Entwicklung im Reich, die auf den Krieg hinauslief. Er war überzeugt, dass Hitler eine Gottlosigkeit sei und Deutschland in den Untergang treibe.

Bei seinem silbernen Priesterjubiläum, ein Jahr zuvor in Nickenich, hatte er sich das Motto zur Feier aus dem Römerbrief des hl. Paulus, Kapitel 15, Vers 30 gewählt: „Ich bitte euch, Brüder, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei der Liebe des Heiligen Geistes: Steht mir bei im Kampfe durch eure Fürbitte bei Gott!“ Er hatte auch in Nickenich den Kampf gegen den Nazi-Ungeist fortgesetzt. Die Hitleranhänger in Nickenich machten Front gegen ihn.

Pfarrer Johannes Schulz war ein Mann des Glaubens. Er wollte und musste vor aller Welt bekennen, dass man als Katholik mit den Verbrechen und den Verbrechern des NS-Systems nicht einverstanden sein durfte. Es geschah aus Bekennermut, dass er am 27. Mai 1940, vor Göring seinen Nacken nicht beugte, seinen Rücken nicht krümmte und eine Ehrenbezeigung, den Heil-Hitler-Gruß mit erhobenem Arm, verweigerte. Aus seiner festen Glaubensüberzeugung streute er dem neuen Götzen keinen Weihrauch.  Johannes Schulz wusste was ihm geschehen würde. Er ging den Weg des Martyriums und an dessen Ende in den Tod, wie Sebastianus im alten Rom. Sein Tod war ein Bekenntnis: „Ein Christ muss stark sein im Glauben und bereit sein, für seinen Glauben zu sterben!“ Das hatte er uns gelehrt, und das hat er gelebt und vollendet.“

Gedenkplatte

Posthumes Gedenken an Pfarrer Johannes Schulz

Die Erinnerung an Pfarrer Johannes Schulz ist in Elm nie erloschen. Bereits 1949 errichtet unter Anleitung von Otto Wernet die Katholischen Jugend einen Betonklotz von einem in der Nähe gesprengten Westwallbunker auf dem Hermesberg und befestigte eine schlichte Holztafel mit den Lebensdaten von Pfarrer Johannes Schulz daran. 1978 wurde auf Initiative des aus Bous stammenden Priesters und Religionslehrers Dr. Aloys Ludwig (1910 – 2002), dessen Cousine die Haushälterin von Pfarrer Johannes Schulz war, auf dem Betonklotz eine Marmortafel angebracht. Den Entwurf schuf der Bouser Bildhauer Ernst Gier. Neben den Lebensdaten von Pfarrer Johannes Schulz sind die zum Gebet erhobenen Hände eines Priesters hinter Stacheldraht zu sehen. Mitte der 70iger Jahre wurde auch das Priestergrab im Schatten der Kirche St. Josef neugestaltet mit einer Gedenkplatte für den im KZ verstorbenen Pfarrer Johannes Schulz.
Nach dem Tod von Dr. Aloys Ludwig fand Pfarrer Hans-Georg Müller bei der Auflösung der Bibliothek von Dr. Ludwig das Brevier und weitere Bücher von Pfarrer Johannes Schulz. Zur gleichen Zeit wurde in Elm die Initiative wach, das Gedenken an Pfarrer Johannes Schulz mehr ins Zentrum des Ortes zu rücken. Am 2. November 2003 wurde nach einem Festgottesdienst eine Gedenkstätte für Pfarrer Johnnes Schulz im Turm der Kirche St. Josef eingeweiht, sowie der Platz um die Kirche St. Josef und das Pfarrhaus zum „Pfarrer-Johannes-Schulz-Platz“ umbenannt und ein Mahnmal für die Opfer von Gewalt, Krieg, Terror und Katastrophen gesegnet.

Gedenkstätte für Pfarrer Johannes Schulz in der Kirche St. Josef

Anlässlich der Einweihung des "Pfarrer-Johannes-Schulz-Platzes" und der Stele wurde 2003 im Turm der Kirche St. Josef auch eine Gedenkstätte errichtet. Hier findet sich das Brevier von Pfarrer Johannes Schulz sowie ein von Paul Rihm 2004 gemaltes Portrait von Pfarrer Johannes Schulz.
Im Haus der Begegnung unterhalb der Kirche St. Josef befindet sich seit 2004 eine Ausstellung über das Leben von Pfarrer Johannes Schulz. Ebenso erhalten sind mehrere Bücher aus seinem Besitz und sein Messbuch.

Bilder zu Pfarrer Johanes Schulz

8 Bilder

Festgottesdienst am 2. November 2003 in der Kirche St. Josef Elm

Einweihung der Pfarrer-Johannes-Schulz-Gedenkstätte, des Pfarrer-Johannes-Schulz-Platzes und des Mahnmales

Bei der Einweihung des „Pfarrer-Johannes-Schulz-Platzes“ und der Begegnung mit den Angehörigen von Pfarrer Johannes Schulz entstand die Idee, seine sterblichen Überreste ins Priestergrab vor der Kirche St. Josef umzubetten. Mit Einverständnis des damaligen Bischofs von Trier Dr. Reinhard Marx erwirkte Pfarrer Hans-Georg Müller die Erlaubnis zur Hebung der 1943 anonym beigesetzten Urne von Pfarrer Johannes Schulz. Am 17. Dezember 2003 wurde die sterblichen Überreste von Pfarrer Johannes Schulz auf dem Waldfriedhof in Burbach gehoben und nach Elm überführt. Bischof Dr. Reinhard Marx setzte am 07. März 2004 nach einem Pontifikalamt in St. Josef die Urne von Pfarrer Johannes Schulz im Priestergrab vor der Kirche bei. Am gleichen Tag wurde die Ausstellung über das Leben von Pfarrer Johannes Schulz im Haus der Begegnung eröffnet.

01 - Orgel (H. J. Paulus)

02 - Eingangslied

03 - Eröffnung und Begrüßung (Dechant Hans-Georg Müller)

04 - Gloria

05 - Tagesgebet und Lesung

06 - Violine und Orgel (Tobias u. H. J. Paulus)

07 - Halleluja und Evangelium

08 - Predigt (Dechant Hans-Georg Müller)

09 - Solo (Roland Waltner)

10 - Credo und Fürbitten

11 - Violinen (Tobias u. H. J. Paulus)

12 - Gabengebet und Präfation

13 - Sanctus

14 - Hochgebet

15 - Vaterunser

16 - Agnus Dei

17 - Adoramus Te

18 - Violine und Orgel (Tobias u. H. J. Paulus)

19 - Schlussgebet

20 - Von guten Mächten

21 - Dankesworte (Dechant Hans-Georg Müller)

22 - Ortsvorsteherin Christel Albert

23 - Im Gedenken an Pfarrer Johannes Schulz

24 - Solo (Roland Waltner)

25 - Einweihung der Gedenkstätten

26 - Solo (Roland Waltner)

Pontifikalamt anlässlich der Urnenbeisetzung von Pfarrer Johannes Schulz

Pontifikalamt mit Bischof Dr. Reinhard Marx in der Kirche St. Josef Elm am 7. März 2004 zur Urnenbeisetzung von Pfarrer Johannes Schulz, gestorben im Konzentrationslager Dachau am 19. August 1942.

01 - Air v. J. S. Bach Violine und Orgel (Tobias u. H. J. Paulus)

02 - Begrüßung (Dechant Hans-Georg Müller)

03 - Begrüßung (PGR Vors. Birgit Klaus)

04 - Wer war Johannes Schulz? (PGR Vors. Helene Alt)

05 - Zu Johannes Schulz ! (PGR Vors. Birgit Klaus)

06 - Eröffnung und Begrüßung (Bischof Dr. Reinhard Marx)

07 - Kyrie

08 - 1. Lesung

09 - Zwischengesang: Hör o Vater (Roland Waltner)

10 - 2. Lesung

11 - Ruf vor dem Evangelium

12 - Evangelium

13 - Predigt (Bischof Dr. Reinhard Marx)

14 - Fürbitten

15 - Credo

16 - Hostias aus W. A. Mozart Requiem (Ltg.: Susanne Prinz)

17 - Gabengebet bis Friedensgruß

18 - Agnus Dei

19 - Kommunion

20 - Aus Kantate 147 v. J. S. Bach Violine und Orgel (Tobias u. H. J. Paulus)

21 - Pie Jesu (Roland Waltner, Tobias u. H. J. Paulus)

22 - Segen

23 - Gebet: In deine Hände

24 - Solo: In deine Hände (Roland Waltner)

25 - Ortsvorsteherin Christel Albert

26 - Dechant Hans-Georg Müller

27 - Der am Kreuz ist meine Liebe

28 - Lacrimosa aus W. A. Mozart Requiem (Ltg.: Susanne Prinz)

29 - Gebet zur Verabschiedung

30 - Herr gib ihnen die ewige Ruhe

31 - Schlussgebet

32 - Ave Maria v. Bach - Gounod (Roland Waltner)

Drei Votiv- und Danktafeln wurden seitdem auf dem Priestergrab aufgestellt mit den Aufschriften „Pfarrer Schulz Danke für die Fürsprache 2004“, „Pfarrer Schulz hat geholfen 2004-2005“, „Pfarrer Schulz Danke für die Fürsprache 2005“. Immer wieder halten Menschen am Priestergrab zum stillen Gebet inne. Pfarrangehörigen aus Nickenich kommen regelmäßig zum Grab ihres früheren Pfarrers und legen Blumen an seinem Grab nieder. Schon mehrmals feierten Pfarrangehörige aus Nickenich und Elm gemeinsam im Gedenken an Pfarrer Johannes Schulz die Hl. Messe in St. Josef.
Bei der Umgestaltung des Sebastiandenkmals wurde der Name von Pfarrer Johannes Schulz in die Liste der Gefallen und Opfer des II. Weltkrieges aufgenommen.
Priestergrab 2009
Priestergrab 2010
Stolperstein vor dem Priesterseminar

Vor 80 Jahren wurde Pfarrer Johannes Schulz verhaftet…

Am 27. Mai 1940 wurde Pfarrer Johannes Schulz von der Gestapo verhaftet, nachdem er Generalfeldmarschall Hermann Göring auf der Terrasse des Ausfluglokals Waldfrieden am Laacher See den damals üblichen Gruß verweigerte. Nach seiner Priesterweihe 1911 war Johannes Schulz unter anderem Pfarrer in Elm und ab 1935 in Nickenich. Immer wieder prangerte er das menschenverachtende nationalsozialistische System an. Er wurde bespitzelt und seine Predigten wurden mitgeschrieben. Das Ereignis am Hotel Waldfrieden war ein willkommener Anlass, den Priester festnehmen und ins Konzentrationslager bringen zu lassen. In Dachau starb er qualvoll am 19. August 1942.
Der Pfarrer von Nickenich, Norbert Missong, und Pfarrer Hans-Georg Müller trafen sich Mitte Mai vor dem Priesterseminar in Trier, um an Pfarrer Johannes Schulz zu erinnern. Hier wohnte Johannes Schulz fünf Jahre, und hier erhielt er seine theologische Ausbildung.  Ein Stolperstein mit seinem Namen, seiner Häftlingsnummer und seinem Sterbedatum erinnern am Eingang des Bischöflichen Priesterseminars an ihn.
Am Samstag und Sonntag, 23. und 24. Mai 2020, wird in den Kirchen von Nickenich St. Arnulf und in Elm St. Josef an Pfarrer Johannes Schulz gedacht, der als mutiger Glaubenszeuge Gott mehr gehorchte als den Menschen. Am 80. Jahrestag seiner Verhaftung beten wir in den Stunden der Eucharistischen Anbetung in St. Josef für alle Opfer von Gewalt und Terror und um Seligsprechung von Pfarrer Johannes Schulz.
Gedenken an einen Glaubenszeugen
Gedenken an einen Glaubenszeugen
Gedenken an einen Glaubenszeugen